Wir befinden uns in der vorweihnachtlichen Adventszeit, voller Kerzen, Glühwein und gemischten Gefühlen. Advent bedeutet Ankunft. Wer ankommen will muss einmal gestartet sein.
Für uns Menschen bedeutet die Geburt den ersten Schritt zu einer Ankunft – sei sie glorreich oder schmerzhaft. Unseren Anfang erleben wir im Dunkel des Mutterleibs. Alles, was Mutter fühlt, denkt und tut, kommt während der Schwangerschaft auch schon dem werdenden Kind zugute oder zuleide. So denke ich an all die zahlreichen Mütter und Neugeborenen in den derzeitigen Konfliktzonen der Welt. Oftmals ist Geburt für uns Menschen schon eine erste Bewährungsprobe, in Kriegszeiten wie jetzt in der Ukraine und Gaza Schock und Trauma.
Aller Anfang ist mit unterschiedlichen Chancen für das kindliche Drehbuch – und unser Leben – verbunden. Trotz aller Katastrophen ist jede Geburt für mich ein großes Wunder und “jedem Anfang wohnt ein Zauber inne...” so Hesse.
Als Meriel anregte, eine Adventgeschichte zu schreiben, ging mir vieles durch Kopf und Herz. Ich erinnerte mich daran, wie ich als sechsjähriges Flüchtlingskind ins Gepäcklager der Martinschule in Landshut flüchtete, weil ich Angst hatte, vom Nikolaus und dem Krampus mitgenommen zu werden. Flucht und Angst beherrschten damals mein Leben.
Erst später lernte ich, Zweifel zu lassen und das Vertrauen zu entwickeln, dass auch ich fähig bin, gegen meine eigenen Drachen zu kämpfen und Autorität zu gewinnen.
Und wie Prometheus in Goethes Gedicht sogar Zeus infrage zu stellen.
Goethe ermutigt uns wenn er sagt:
„Feiger Gedanken
Bängliches Schwanken,
Weibisches Zagen,
Ängstliches Klagen
Wendet kein Elend,
Macht dich nicht frei.
Allen Gewalten
Zum Trutz sich erhalten,
Nimmer sich beugen,
Kräftig sich zeigen,
Rufet die Arme Der Götter herbei!”
Der Geburt von Jesus Christus am Ende des Advents folgt später sein uns erlösender Tod am Kreuz und seine und unsere Auferstehung und Wiedergeburt.
Der Advent spiegelt unseren Lebenslauf wieder – Anfang und Ende, Geburt und Tod, Versagen und Wiederfinden von Kraft also mit allem, was uns Menschen gemeinsam ist.
Teilnehmende durchlaufen bei Selbsterfahrungsseminaren einen ähnlichen Zyklus.
Für die meisten Teilnehmer beginnen die Workshops mit Vorfreude und Neugier aber auch Angst, Verwirrung und Ungeduld. Hier gilt es für Trainer und Führungskräfte Akzente zu setzen und den Weg zu weisen für eine gute Ankunft.
Die ersten Begegnungen in unseren Führungsseminaren sind oft entscheidend für einen guten Lernprozess. Hier entstehen die Impulse für das Lernen und Führen mit Kopf und Verstand, Bauch und Emotionen und Herz und Unbewusstem.
Anfangs starten wir meist mit Antreibern, die in ihrem Absolutheitsanspruch zu einem Fass ohne Boden werden.
Oft bremsen wir uns selbst aus, indem wir unsere authentischen Gefühle und Emotionen ignorieren und uns Ersatzreaktionen hingeben, bis uns bewusstwird, dass unsere Kraft schon da ist. Wir können, uns besten Gewissens für uns selbst entscheiden. Denn: „all power comes from within“, wie uns Huna lehrt.
Nichts zu sein und sein Ego aufzugeben, ist paradoxerweise der Weg zu unseren unbegrenzten Möglichkeiten. Dafür bedarf es allerdings einige „Tode“ zu durchstehen.
Finden wir unsere ursprüngliche emotionale Authentizität wieder, eröffnen sich uns ungeahnte Möglichkeiten, sprich Wunder.
Es ist verständlich sich in der Dunkelheit des Anfangs zu fürchten; Wo geht es hin? Was bedarf es von mir? Was kann alles passieren?
Ich vertraue in meinem Alter gerne Dichtern, die ich sehr schätze, zum Beispiel Werner Bergengrün wenn er uns ermutigt auch, dem Tod ins Auge zu sehen:
„Was dich schreckte und scheuchte vergiss.
Denn die Erde ist treu und gewiss
und du weißt dich vom Dunkel geliebt
weil alles erneut sich begibt
und so trittst du vertrauend hinein
in die Nacht, in den Tod, in den Stein“
Oder auch Hermann Hesse:
„Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegensenden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden“
Ich wünsche uns allen ein gutes Ankommen, ein Ankommen im Hier und Jetzt und ein Ankommen in unserer Kraft.