Erfahrungsbericht zum Seminar Konfliktmanagement
Offenes Seminar Konfliktmanagement im Kloster Neustift – Südtirol, Feb. 2018
Ein Rückblick von Davina Eggers
Der Gedanke an Konflikte ist keiner, der mein Herz beschwingt aufschlagen lässt. Vielmehr macht sich eine gewisse Beklemmung in der Brust breit und Begleiterscheinungen von Unsicherheit treten auf. Angesichts dieser Assoziationen liefert der Titel „Konfliktmanagementseminar“ schon mal einen gewissen Halt. Konflikt in Kombination mit Management suggeriert eine Vorstellung von handfesten Methoden und Regeln, die es nur zu erlernen gilt, und dann jede zwischenmenschliche Ungereimtheit nach Schema F geglättet oder aus dem Weg geräumt werden kann. Was für Methoden könnten das wohl sein?
Klar ist mir, dass das Seminar nicht allzu theoretisch verlaufen wird, denn auf der Homepage vom Team Dr. Rosenkranz ist zu lesen: „Unsere Beratungs- und Trainingsstrategie basiert auf dem Prinzip Aktives Erleben.“ Nun denn. Der Seminarort ist zumindest sehr einladend für jede Form von guter Erfahrung: Es handelt sich um ein stattliches, historisches Kloster aus dem 12 Jh. in Südtirol – weitläufig, licht, mit freundlichen großen hellen Räumen, langen Gängen, gemütlichem Kaminzimmer, herzlichem Personal und „Brüdern“ sowie gutem Essen.
Mit 22 Teilnehmern, zwei Trainern und zwei Trainer-Assistenten sitzen wir am Sonntagabend im Stuhlkreis. Als Auftakt lädt Herr Dr. Rosenkranz uns in eine entspannte Sitzposition ein, worauf er eine Meditation anleitet, in der typische menschliche Konfliktsituationen chronologisch passiert werden – von der Geburt, über das Trotzalter, die Pubertät bis hin zu Beziehungskonflikten und Konflikten in uns selbst.
Wie das Team Dr. Rosenkranz die Woche gestaltet, plausibilisiert sich für mich im Nachhinein durch die im Skript aufgeführte Definition von Konflikt. Konflikt wird hier verstanden als …
- existent (aufgrund von Unterschieden),
- notwendig (zu jeder Form von Entwicklung),
- und lösbar (durch Energieumwandlung).
Diese drei Punkte werden im Laufe der Tage immer wieder durch Übungen und Aufgaben ins Bewusstsein gebracht und methodisch verdeutlicht. So liegt auf dem ersten Abend ein wesentlicher Fokus auf dem Beobachten von Unterschieden, bzw. in der Auseinandersetzung mit Differenzierung zwischen den Leuten, was auch für die nächsten Tage paradigmatisch bleiben wird. Man hat ja meist sehr schnell Eindrücke von fremden Menschen, ohne diese jedoch unbedingt kundzutun. Hier läuft es anders. Durch kleine Aufgaben und die Wahlsituation von drei Führungskräften werden wir bereits am ersten Abend vom Trainerteam immer wieder aufgefordert, Einschätzungen über Andere zu äußern. Dieser Prozess ist ziemlich ungewohnt und anstrengend. Wenn jedoch davon ausgegangen wird, dass Konflikte aufgrund von Unterschiedlichkeit entstehen, ist es sinnvoll, sich in diesem Rahmen bewusst damit auseinander zu setzen und sich darin zu üben, einen wertschätzenden, konstruktiven Umgang zu finden. Abends brechen wir relativ erschöpft ins Kaminzimmer auf – jedoch nicht ohne eine Aufgabe, die wir bis zum nächsten Morgen in unseren drei frisch „erarbeiteten“ Teams erledigt haben sollen.
Arbeiten bis in diese späte Stunde hinein ist übrigens keine versehentliche Ausnahme. Die Arbeitszeiten sind bis auf die Morgeneinheit von 9-13 Uhr relativ ungewöhnlich, denn einer langen Mittagspause bis 17 Uhr folgt eine einstündige Körperarbeit, gefolgt vom Abendbrot und dann wieder eine Arbeitseinheit ab 20 Uhr. Ich persönlich finde die etwas antizyklischen Zeiten toll, weil sie mein Gefühl unterstreichen, mich jenseits vom Alltagstrott zu befinden. Auch die lange Mittagspause hat was von Freiheit.
Die unkonventionellen Arbeitszeiten gehören vielleicht mit zur Strategie, uns aus den Köpfen heraus zu holen. Der Trainer betont immer wieder, dass über 80 % unserer Entscheidungen über Gefühle und Intuition und nur 10-20 % über die Ratio getroffen werden. Trotzdem dieser Forschungsstand recht bekannt ist, sitzen die meisten von uns felsenfest in ihrer klugen, hochausgebildeten Kopfzentrale gefangen und ringen sich von hier durch die Entscheidungen des Lebens. Dieser einseitigen Kompetenzentwicklung schlägt hier die letzte Stunde, bzw. die Intuition und die Gefühle werden zum Einsatz gebeten – ganz ohne Esoterik! Wie geschieht das?
Durch den dritten Punkt der Konfliktdefinition vom Team Dr. Rosenkranz: Konflikte sind lösbar durch Energieumwandlung. Wie gesagt, „Energieumwandlung“ ist in diesem Rahmen nichts weltfremd, sphärisch Daherkommendes. Es ist vielmehr das Ernstnehmen von intuitiven Impulsen – auch von körperlichen und der Einsatz von Kreativität.
Sobald sich jemand in längeren Gedankenausführungen verstrickt, unterbricht der Trainer diese Spur und lädt zu einer kreativen Alternative ein, wodurch die unmittelbare Empfindung herauskristallisiert wird. Das Trainerteam bietet ein lebendiges Beispiel für das kreative Schöpfen aus dem Moment, denn von den Teilnehmern geäußerte Gefühle, Gedanken und Impulse werden spontan aufgegriffen, mit der Einladung, sie in spielerische Handlungen und Aktionen – wenn nicht sogar in Methoden - zu übersetzten.
Obwohl ich mit Verlaub behaupten kann, ein alter Hase in Bezug auf Seminarbesuche zu sein, hat mich bisher kaum etwas so überzeugt, wie der Arbeitsansatz vom Team Dr. Rosenkranz. Was mich tief berührt ist die Einladung zur radikalen Ehrlichkeit. Man kam nicht aus, sich mit „Unterschieden“ zwischen den Menschen, der Begegnung mit eigenen Schattenanteilen und denen von anderen sowie ehrlichen Feedbacks auseinanderzusetzen. Wir wurden auf diesem Seminar unglaublich gefordert und es war zeitweise alles andere als bequem. Trotzdem, oder vermutlich gerade deshalb, ist es gelungen, eine Stimmung von Vertrauen, Zuversicht, Mut und gegenseitigem Respekt zu erzeugen.
Wir haben durch praktisches Tun sehr viel theoretisches Wissen erarbeitet und ich wage behaupten zu können, dass durch dieses Seminar jeder um ein gutes Stück selbstbewusster und mutiger zu sich und seinen Gefühlen zu stehen gelernt hat. Und das, so haben wir erfahren, ist wiederum eine essentielle Eigenschaft für die konstruktive Gestaltung eines Konfliktes: Wenn ich zu mir stehe, kann ich auch den Anderen in seinen Bedürfnissen besser annehmen ohne ihn abzuwerten. Also, munter auf in Konflikte nach dem Motto „Ich bin ok – Du bist ok“!